DOUV-Logo
 
DOUV-Logo.

Patientenportal

Neubauer-Gutachten endlich öffentlich

10.10.2016

"Keine betriebswirtschaftlich tragfähige Praxisführung möglich"

Diesen lauten Knall aus Bayern wird man auch noch in Berlin hören: Ein gesundheitsökonomisches Gutachten aus dem Freistaat belegt schwarz auf weiß, dass es einem freiberuflich tätigen Arzt in der Praxis heutzutage nicht möglich ist, ein angemessenes Honorar zu erzielen. Das lang erwartete Neubauer Gutachten (Institut für Gesundheitsökonomik München) ist nun öffentlich.


Die Zahlen des Gutachtens sprechen eine deutliche Sprache: Ein attraktives Arzteinkommen sieht anders aus.

Das im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) angefertigte Gutachten wurde am Samstag von KVB-Vorstandsmitglied Dr. Ilka Enger freigegeben. Enger erklärt in einem ausführlichen Interview gegenüber dem änd, weshalb sie im Einklang mit den Beschlüssen der Vertreterversammlung diesen Veröffentlichungszeitpunkt wählte.

Der Inhalt der zweigeteilten Analyse ist mehr als brisant: Zunächst hat das Team um Prof. Günter Neubauer die Kostenstruktur der Praxen analysiert: Es wurden Musterpraxen für mehrere Fachgruppen angelegt und die durchschnittlichen Ausgaben – von Fortbildungskosten bis zur Miete für die Praxisräume – zusammengerechnet. Dabei flossen die Daten des ZI-Praxis-Panels, DATEV-Analysen sowie auch Zahlen der Apobank in die Berechnungen ein. Der Fokus lag dabei auf den konservativ tätigen Grundversorgern. „Die Musterpraxen sollen die Kostenstrukturen von Einzelpraxen aufweisen, die die medizinische Grundversorgung im ländlichen Raum sicherstellen“, heißt es dazu im Gutachten. Die ermittelte Kostenspanne reicht von 147.400 Euro im Jahr (Allgemeinmedizin) bis 219.400 (Orthopäde).

Neubauer berücksichtigt unternehmerisches Risiko

Im zweiten Schritt wurde ein „angemessenes Arzteinkommen“ ermittelt: Neben dem Gehalt eines angestellten Oberarztes als Ankerpunkt wurden auch Einkünfte anderer Freiberufler sowie das kalkulierte Einkommen von Honorarärzten herangezogen, um das unternehmerische Risiko abbilden zu können. „Als ein angemessenes Arzteinkommen für einen niedergelassenen Arzt in Deutschland wurde im Rahmen dieser Untersuchung eine Spanne von 159.544 Euro bis 175.136 Euro ermittelt“, heißt es im Gutachten. Das rmittelte Einkommen bezieht sich auf den niedergelassenen Vertragsarzt, der in Vollzeit GKV-Patienten versorgt.

Es kommt dann, wie es kommen muss. Kostenstruktur und SOLL-Honorar werden der Realität im Freistaat gegenüber gestellt. Das Fazit: Mit den Fallwerten und Fallzahlen in Bayern kann das angemessene Arzteinkommen im Durchschnitt in keiner Fachgruppe erreicht werden. „Bei der Berechnung der Höhe des notwendigen durchschnittlichen Fallwerts zur Erzielung eines angemessenen Arzteinkommens hat sich gezeigt, dass die Fallwerte in Bayern deutlich höher liegen müssten als im Jahr 2010 bzw. 2013 bei Berücksichtigung der zugehörigen Fallzahlen, damit Kostendeckung sowie ein angemessenes Einkommen erreicht wird“, ist in dem Gutachten zu lesen. Die Ökonomen sehen „bei reiner GKV-Tätigkeit je nach Fachgruppe deutliche Deckungslücken von 90% bis 223% (2010) bzw. von 58% bis 191% (2013), d. h. die Fallwerte müssten bei den gegebenen Fallzahlen um 90% bis 223% (2010) bzw. um 58% bis 191% (2013)
höher liegen, damit ein angemessenes Einkommen von konservativ tätigen Ärzten in ländlichen Gebieten erzielt wird(...)“, resümiert das Neubauer-Gutachten.

GOÄ-Honorare machen den Kohl auch nicht mehr fett

Die alleinige Behandlung von GKV-Versicherten reiche damit nicht aus, um die Kosten der synthetischen Musterpraxen zu decken und ein angemessenes Arzteinkommen zu erzielen. „In der Behandlungsrealität werden allerdings nicht nur GKV-Patienten behandelt, sondern auch Privatpatienten, so dass die Zahl der insgesamt behandelten Patienten größer ausfällt als die alleinigen GKV-Fallzahlen“, räumen die Studienautoren dann ein – um nach weiteren Berechnungen zu einem zweiten, ernüchternden Fazit zu kommen: Auch bei Berücksichtigung von Privateinnahmen werde das angemessene Arzteinkommen in den Musterpraxen "zumeist weiterhin deutlich" unterschritten.

Das ungeschminkte Fazit der Studienautoren: "Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass das heutige Niveau der GKV-Honorare in Bayern zu gering ist, um eine betriebswirtschaftlich tragfähige Praxisführung in ländlichen Praxen sicherzustellen und ein angemessenes Arzteinkommen zu ermöglichen. Dies gilt auch, wenn man die zusätzlichen Fallzahlen und Einnahmen einbezieht, die sich aus Privatpatienten und Selbstzahlern ergeben. Deshalb kann die alleinige Einbeziehung von Privatversicherten in eine sogenannte ürgerversicherung kein geeigneter Weg sein, um die bestehende Unterdeckung insbesondere in der ambulant-ärztlichen Versorgung zu beseitigen."



Downloads: Neubauer Gutachten Modul 1 Neubauer Gutachten Modul 2 bis 4

zurück