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Der Gesundheitsfonds. Streit ohne Ende

Je näher die Einführung des Gesundheitsfonds rückt, desto lauter melden sich Befürworter und Kritiker zu Wort. Eine kleine Presseschau. AOK gibt Widerstand gegen Gesundheitsfonds auf
Die AOK gibt den Widerstand gegen den Gesundheitsfonds auf. ?Ich will die alten Kämpfe nicht noch einmal fechten und akzeptiere die Reform. Der Gesundheitsfonds wird kommen?, sagte Hans Jürgen Ahrens, Chef des AOK-Bundesverbands, in der Tageszeitung ?Die Welt?.

Für 2009 erwartet Ahrens keinen Preiskampf, sondern einen scharfen Leistungswettbewerb. ?Viele Kassen werden keine Beiträge auszahlen, obwohl es einige heute vollmundig versprechen?, sagte der AOK-Chef. Keine einzige AOK werde am 1. Januar 2009 Zusatzbeiträge erheben. ?Das gilt aber nur, wenn die Bundesregierung ihre guten Vorsätze realisiert und den einheitlichen Beitragssatz so festlegt, dass er 100 Prozent der Krankenkassenausgaben deckt?, betonte Ahrens.

Gesundheitsfonds: Lohnzusatzkosten bald über 40 Prozent?
Der Chef des Parlamentskreises Mittelstand der Unions-Fraktion, Michael Fuchs (CDU), verlangt von der Bundesregierung rasche Schritte, um ein Anstieg des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes auf über 40 Prozent zu verhindern. Dieser drohe bereits im Juli durch die Beitragserhöhung zur Pflegereform, sagte Fuchs der ?Leipziger Volkszeitung?. Es dürfe auf keinen Fall zu einem Anstieg der Beiträge der Krankenversicherung von jetzt durchschnittlich 14,8 auf 15,5 Prozent kommen, wie es Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) offenbar im Zuge der Einführung des Gesundheitsfonds einkalkuliert habe, sagte Fuchs.

Derzeit liegen die Lohnzusatzkosten mit den Versicherungsbeiträgen zur Pflege, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Rente bei 39,77 Prozent. Mit der vereinbarten Pflegereform stiegen die Beiträge auf mindestens 40,02 Prozent zur Jahresmitte. Für den Jahresauftakt 2009 wird, aufgrund des Gesundheitsfonds, ein Gesamtbeitragssatz von 40,72 Prozent veranschlagt. ?Die Signalgrenze von 40 Prozent darf aber nicht erreicht werden?, betonte Fuchs. Das habe für die bisherige Reformarbeit der großen Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ?Symbolcharakter?. Deshalb sei die Unions-Fraktion zum ?Widerstand? aufgerufen. Zudem drohten größere Konjunkturrisiken.

DGVP warnt vor Gesundheitsfonds
Die Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP) sieht die für 2009 geplante Einführung des Gesundheitsfonds kritisch. ?Der Politik den Zugriff zu lassen auf unsere Beiträge halte ich für grundsätzlich verkehrt?, sagte der Präsident des Patientenverbands, Wolfram-Arnim Candidus, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. ?Da wird unheimlich viel passieren, aber nichts zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten und Patienten.? Die Versicherten zahlen nach seinen Angaben jährlich 150 Milliarden Euro an Beiträgen in die gesetzlichen Krankenversicherungen ein.

Bereits vor seiner Einführung habe der Fonds negative Folgen für die Versicherten, sagte Candidus. Weil die Kassen ab 2009 zunächst nur einen Einheitsbeitrag verlangen dürfen, gehe bei den kleinen, armen Kassen die Angst um, von den großen reichen Kassen geschluckt zu werden. Der sogenannte Risikostrukturausgleich zwischen ?armen? und ?reichen? Kassen führe schon heute zu ?gewaltigen Fehlanreizen?. Diese ?Fehlanreize? würden durch den Gesundheitsfonds verstärkt. ?Sie können dann auch versuchen, aus Ihren Versicherten mehr Schwerkranke zu machen, um von anderen mehr Geld zu kriegen.? Die im südhessischen Heppenheim ansässige DGVP wurde 1989 gegründet und vertritt nach eigenen Angaben 25 000 Menschen.

Der NAV-Virchow-Bund kritisiert Fonds-freundliche KVen
Der NAV-Virchow-Bund distanziert sich deutlich von den Unterstützungsbekundungen einiger KVen für den Gesundheitsfonds. Den Ärzten werde damit Sand in die Augen gestreut. In der Presse waren die KVen zudem als ?Ärzteverbände? bezeichnet worden. "Mit dem Appell von neun Kassenärztlichen Vereinigungen an die Bundesregierung, den Gesundheitsfonds auf Biegen und Brechen einzuführen, verabschieden sich diese KVen endgültig von der Interessenvertretung der niedergelassenen Ärzte", befand der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. Klaus Bittmann.

Diese KVen hätten immer noch nicht begriffen, dass der von ihnen verteilte Kuchen immer weiter zusammen falle. "Stattdessen versuchen sie, die Reste an Krümel als eine Torte zu verkaufen", meinte Bittmann. Übel aufgestoßen ist dem Verbandsfunktionär auch, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen in vielen Presseberichten als "Ärzteverbände" bezeichnet wurden. Er unterstellt den KVen, diesen Anschein bewusst zu erwecken oder zumindest billigend in Kauf zu nehmen.

Der Gesundheitsfonds bleibt in seinen Augen ein Instrument zentralistischer Mittelverteilung. Bittmann äußerte den Verdacht, dass das Beitragsaufkommen in Zukunft politisch bestimmt sein und sich nicht am tatsächlichen Bedarf orientieren werde. Der Fonds sei mitnichten eine "realistische Chance, die chronische Unterfinanzierung im System zu beenden" - mit dieser Behauptung streuten die neun KVen ihren Ärzte Sand in die Augen.

Bittmann geht davon aus, dass der Einheitsbeitrag von der Politik aus psychologischen Gründen auf höchstens 14,9 Prozent festgelegt werden wird. Ein Gutachten des Instituts für Gesundheitsökonomik München war Anfang des Jahres auf einen Bedarf von 15,5 Prozent gekommen. Bittmann rechnet vor, dass daher mindestens sechs Milliarden Euro fehlen könnten - "hochgerechnet mehr als ein Viertel der Ausgaben für die ambulante ärztliche Behandlung".

Statt Hoffnungen zu wecken, sollten die KV-Chefs nach Ansicht des NAV-Vorsitzenden "in der Wirklichkeit ankommen": Das Jahr 2009 werde "eine Schlucht der Hoffnungslosigkeit". Niedergelassene Ärzte hätten jetzt nur noch die Möglichkeit, neben dem Kollektivvertrag Einzelverträge mit den Krankenkassen zu schließen.

KVen fordern die Einführung des Gesundheisfonds
Die KVen von Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen plädierten in einem offenen Brief für die Einführung des Gesundheitsfonds, nachdem die reicheren KVen aus Süddeutschland wochenlang Stimmung gegen das neue System gemacht hatten.

"Der für 2009 vorgesehene Gesundheitsfonds ist bei konsequenter Umsetzung ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur Sicherung der Finanzierung des Gesundheitswesens" schreiben die Vorsitzenden der KVen. Nur der Fonds könne die flächendeckende, wohnortnahe ambulante medizinische Versorgung in der bisherigen hohen Qualität deutschlandweit gewährleisten.

Nach Ansicht der neun KVen bietet der Fonds eine realistische Chance, die chronische Unterfinanzierung im System zu beenden und eine Verteilung der Gelder unter Berücksichtigung der tatsächlichen Versorgungssituation vorzunehmen.

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