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Steuerliche Risiken von IGeL Leistungen

Die steuerliche Behandlung der IGel Leistungen bleibt ein Gang auf schmalem Grat, insbesondere im Hinblick auf die Umsatzsteuer.

Problematik und Rechtslage

Nach § 4 Nr. 14 UStG sind ärztliche Tätigkeiten - im Gegensatz zu anderen freiberuflichen Tätigkeiten - grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit. Voraussetzung ist, dass sie der Diagnose, Genesung oder Linderung von Krankheiten, der Gesundheitserhaltung oder dem vorbeugenden Gesundheitsschutz von Patienten dienen.

Diese Vorschrift wird von der Rechtsprechung des BFH sowie der Finanzverwaltung zunehmend restriktiv und somit für den steuerpflichtigen Arzt nachteilig ausgelegt. Grund hierfür ist die seit dem Jahr 2000 geltende Rechtsprechung des EuGH, nach der Leistungen eines Arztes nur dann umsatzsteuerfrei sind, wenn sie "der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen".

Die EuGH-Rechtsprechung ist tätigkeitsbezogen. Sie befreit nicht mehr jede einem Arzt vorbehaltene Tätigkeit von der Umsatzsteuer, sondern lediglich bestimmte Einzelleistungen, soweit sie eine Heilbehandlung darstellen. Hierdurch werden die Grenzen der steuerfreien Betätigung deutlich enger gesteckt als bei der bis dahin gültigen nationalen Regelung.

Dies führt bei jeder neuen Leistung zu zahlreichen Abgrenzungsproblemen und einer dementsprechend umfangreichen Kasuistik. Das Problem wird dadurch verschärft, dass die Finanzverwaltung in ihrer Vorgehensweise uneinheitlich und in manchen Fällen sogar widersprüchlich agiert und keine klaren Vorgaben des BMF vorliegen. Die rechtliche Auffassung des zuständigen Finanzamts ist daher für den Arzt nicht vorhersehbar.

Für IGeL-Leistungen bedeutet die einschränkende Rechtsprechung, dass sie nur dann unter § 4 Nr. 14 UStG fallen, wenn die erbrachten Leistungen zweifelsfrei einem therapeutischen Ziel dienen und daher medizinisch indiziert sind (st. Rspr.; vgl. aktuell BMF 19.6.12, IV D 3 - S 7170/10/10012).

Ob eine Leistung medizinisch indiziert ist oder ihr ein therapeutisches Ziel zugrunde liegt, hängt - entgegen der Auffassung zahlreicher Finanzämter - nicht entscheidend davon ab, ob die vorgenommene Behandlung medizinisch notwendig oder die angewandten Methoden der vorliegenden Krankheit kostentechnisch angemessen sind. Beiden Kriterien kommt allenfalls eine Indizwirkung zu (FG Rheinland-Pfalz, 12.1.12, 6 K 1917/07). Einem therapeutischen Ziel kann nämlich auch eine Leistung dienen, die z.B. deutlich mehr kostet als eine andere, die aber ebenfalls zur Behandlung geeignet ist. Gleiches muss für die Anwendung alternativer Diagnose- und Behandlungsmethoden gelten, die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannt sind. Denn es gilt der Grundsatz, dass jeder Arzt die freie Wahl der aus seiner Sicht richtigen Therapie hat.

IGeL-Leistungen werden von vielen Ärzten einheitlich als umsatzsteuerfrei behandelt. In zahlreichen Fällen liegen jedoch steuerpflichtige Umsätze vor. Im Regelfall werden die fehlerhafte Behandlung und die bestehende Umsatzsteuerpflicht erst Jahre später anlässlich einer Betriebsprüfung festgestellt, denn erfahrungsgemäß hinterfragen die Betriebsprüfer regelmäßig das Vorliegen einer Heilbehandlung bei privat liquidierten IGeL-Leistungen.

Nicht abgeführte Umsatzsteuern werden dann vom Finanzamt nachgefordert - meist für mehrere Veranlagungsjahre zusammen. Zudem werden Nachzahlungszinsen in Höhe von 6 % des Nachzahlungsbetrags fällig (vgl. § 233a AO). Die nachträglich abzuführende Umsatzsteuer stellt für den leistenden Arzt einen echten Kostenfaktor dar. Da es praktisch nicht möglich ist, Jahre später die Umsatzsteuer von den behandelten Patienten nachzufordern, muss die Umsatzsteuer aus den vereinnahmten Honoraren heraus gerechnet werden.

In den seltensten Fällen hat sich der Arzt auf diese Steuernachforderungen eingestellt und entsprechende Rücklagen gebildet, sodass die Steuernachzahlungen aus der vorhandenen Liquidität zu leisten sind und je nach Umfang ein wirtschaftliches Risiko für die Praxis darstellen können.

Sicherheit im Vorfeld bietet nur eine verbindliche Auskunft beim örtlichen Finanzamt. Diese sollte dann eingeholt werden, wenn hohe Umsätze zu erwarten sind!

Was sind IGeL-Leistungen aus steuerlicher Sicht?

IGeL-Leistungen lassen sich aus steuerrechtlicher Sicht in drei Kategorien einteilen.

  1. Leistungen, die mit Sicherheit als umsatzsteuerfrei anerkannt werden (z.B. Vorsorgeleistungen wie Glaukom- oder Krebsfrüherkennungsuntersuchungen).
  2. Leistungen, die in einer Grauzone liegen und nicht eindeutig zugeteilt werden können. Sie bilden den größten Block.
  3. Leistungen, die mit Sicherheit umsatzsteuerpflichtig sind, weil sie keinen direkten Einfluss auf den Gesundheitszustand des Patienten haben, sondern nur der Verbesserung des Lebensgefühls bzw. des körperlichen Wohlbefindens dienen, z.B. kosmetische Leistungen, Anti-Aging-Behandlungen, Vitaminkuren.

Die steuerrechtlichen Unsicherheiten bestehen hier zum einen aufgrund laufend hinzukommender neuer Therapieformen, die umsatzsteuerlich (noch) nicht einordbar sind. Zum anderen handelt es sich um Leistungen, bei denen sich die Frage, ob im Einzelfall eine medizinische Indikation gegeben ist, nicht eindeutig beantworten lässt.

In diesem Grenzbereich ist die Umsatzsteuerpflicht der IGeL-Leistungen von der Rechtsauffassung des jeweiligen Finanzamts abhängig. Hier liegt das Risiko, aber auch die Chance des Steuerpflichtigen.

Laut BFH (22.2.06, V B 30/05, BFH/NV 2006, 1168) liegt die Beweislast für die gesamten tatsächlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung - namentlich das Vorliegen einer medizinischen Indikation oder eines therapeutischen Ziels - nach allgemeinen Grundsätzen bei demjenigen, der sich auf die Steuerbefreiung beruft, also beim behandelnden Arzt. Dieser Feststellungslast kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, der Arzt unterliege der ärztlichen Schweigepflicht und dürfe deshalb keine patientenbezogenen Daten preisgeben.

Die Anerkennung der Umsatzsteuerfreiheit von IGeL-Leistungen hängt demnach maßgeblich von einer überzeugenden Argumentation gegenüber dem Finanzamt und der richtigen schriftlichen Dokumentation als Beweismittel ab. Es gilt der Grundsatz: Der behandelnde Arzt ist der Fachmann, nicht der Finanzbeamte! Was einleuchtend und medizinisch begründet wird, muss von der Finanzbehörde als Laien erst einmal widerlegt werden.

Die Dokumentation

Grundvoraussetzung ist, jede IGeL-Leistung, bei der die Umsatzsteuerbefreiung in Betracht kommt, ausführlich zu dokumentieren und schriftliche Beweisvorsorge zu betreiben, auch wenn dies einen erhöhten (zeitlichen) Aufwand bedeutet. Leider existieren bis heute keine konkreten und einheitlichen Vorgaben von Seiten der Rechtsprechung oder der Finanzverwaltung, wie eine Dokumentation auszusehen hat und welche Angaben sie enthalten muss, um als Nachweis anerkannt zu werden. Somit bleibt es jedem einzelnen Finanzamt überlassen, hier eigene Kriterien aufzustellen.

Wichtig ist, substantiierte und nicht nur stichwortartige Eigenaufzeichnungen zu führen. Um die medizinische Indikation einer ärztlichen Leistung oder deren therapeutisches Ziel nachweisen zu können, ist die Anamnese und Exploration schriftlich in der Patientenakte festzuhalten. In der Patientenakte sollten zudem dokumentiert werden:

  • Grund des Arztbesuches
  • vom Patienten vorgetragene Beschwerden
  • eventuelle Vorbehandlungen
  • Diagnosen (auch negative Befunde)
  • angestrebtes Behandlungsziel
  • durchgeführte Untersuchungshandlungen
  • Behandlungsergebnis

Korrespondierend zur Patientenakte sollten die erbrachten Leistungen in der Honorarrechnung möglichst eindeutig bezeichnet werden, um sie umsatzsteuerlich zutreffend einordnen zu können. Nach § 12 Abs. 2 UStG muss eine ordnungsgemäße Abrechnung die "Bezeichnung der einzelnen berechneten Leistung" enthalten. Hier könnten die geforderten Angaben erweitert und neben der Leistungsbeschreibung auch der (medizinisch-indizierte) Anlass, der Zweck oder das Ziel der Behandlung kurz erwähnt werden. Mehrdeutige bzw. unspezifische Leistungsbezeichnungen in der Rechnung gehen immer zulasten des nachweispflichtigen Arztes.

Weitere Dokumentationsmöglichkeiten bieten der zwingend erforderliche schriftliche Behandlungsvertrag sowie das vom Patienten zu unterschreibende Aufklärungsprotokoll. Auch hier können Angaben zur medizinischen Indikation oder dem therapeutischen Ziel eingefügt werden.

Nicht als ausreichender Nachweis wurden bisher Fotodokumentationen (FG Rheinland-Pfalz, 12.1.12, 6 K 1917/07), Diagnoseblätter sowie eine Zeugenaussage des behandelnden Arztes (BFH 22.2.06, V B 30/05, BFH/NV 06, 1168) angesehen.

Keine Umsatzsteuer als Kleinunternehmer

Ärzte, die pro Kalenderjahr für alle steuerpflichtigen Umsätze insgesamt den Betrag von 17.500 EUR voraussichtlich nicht überschreiten, unterliegen als sog. Kleinunternehmer nicht der Umsatzsteuerpflicht (§ 19 UStG). Bei der Ermittlung dieser Umsatzgrenze werden die umsatzsteuerfreien Leistungen nicht mit einberechnet, dafür aber alle umsatzsteuerpflichtigen Honorareinnahmen, d.h. neben denen aus den IGel-Leistungen z.B. auch die Umsätze aus der steuerpflichtigen Erstellung von Gutachten oder aus umsatzsteuer-pflichtigen Verkäufen.

Vorsteuerabzug

Besteht bei einer IGeL-Leistung Umsatzsteuerpflicht, so hat dies nicht nur Nachteile. Die (positive) Kehrseite der Umsatzsteuerpflicht ist die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug. Sollen für IGeL-Leistungen teure medizinische Geräte oder Ausstattung erforderlich sein (z.B. Dopplerultraschallgerät bei einem Gynäkologen), so kann im Einzelfall der bei Umsatzsteuerpflicht mögliche, korrespondierende Vorsteuerabzug hieraus dazu führen, dass ein Vorsteuerüberschuss entsteht und der Arzt sogar eine Erstattung vom Finanzamt erhält. Gestaltungen in diesem Bereich sollten stets mit dem Steuerberater abgesprochen werden.

Fazit

Die Umsatzsteuer bei IGeL-Leistungen ist ein Dauerthema in der steuerlichen Rechtsprechung. Es ist damit zu rechnen, dass die Finanzbehörden auch in Zukunft versuchen werden, IGeL-Leistungen überwiegend als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln. Dies sollte nicht akzeptiert werden, ratsam ist die Einholung fachkundiger Hilfe. In rechtlich nicht eindeutigen Fällen kommt einer ausführlichen, detaillierten Dokumentation zum Nachweis der für die Umsatzsteuerbefreiung notwendigen medizinischen Indikation oder des verfolgten therapeutischen Ziels ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Aufwand hierfür lohnt sich, denn wird die Umsatzsteuer aufgrund einer Betriebsprüfung nachträglich erhoben, stellt dies einen nicht zu unterschätzenden Kostenfaktor dar.

Quellen und Lesetipps:

  • Das wirtschaftliche Potenzial individueller Gesundheitsleistungen für die Praxis nutzen!
    www.iww.de
  • IGeL und Umsatzsteuer - ein Dauerbrenner in der steuerrechtlichen Diskussion
    www.iww.de
  • Die Kleinunternehmer-Regelung als Rettungsring für Heilberufler
    www.iww.de
  • Handlungsempfehlungen und Risikominimierung : Umsatzsteuer und Gewerbesteuer in der Arztpraxis
    www.urs-gruppe.de
  • Umsatzsteuer bei IGeL-Leistungen: Das sollten Sie beachten
    www.die-pvs.de


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