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Patientenportal

Mit dem Rückenleiden direkt zum Physiotherapeuten?

15.08.2016

Auf Kosten der Krankenkassen geht das in Deutschland nicht. Experten wollen das ändern. Ist das zum Wohl der Patienten?

In den Niederlanden oder in Schweden, können Patienten direkt zu einem Physiotherapeuten gehen. In Deutschland gibt es ebenfalls Vorstöße in diese Richtung. Die Union forderte kürzlich in einem Positionspapier, die Stellung von Logopäden, Physio- und Ergotherapeuten zu verbessern. Das Ziel: Therapeuten sollen ohne ärztliche Vorgabe entscheiden können, welche Behandlung für ihre Patienten die richtige ist und dafür mehr Geld bekommen. "Wenn der Arzt die Diagnose stellt und der Therapeut darauf aufbauend mit dem Patienten einen Therapieplan aufstellt, können Patienten mit einem schnelleren und nachhaltigeren Behandlungserfolg rechnen" , sagt Roy Kühne, zuständiger Berichterstatter der Union und selbst Physiotherapeut. Ein nicht öffentlicher Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums sieht es dementsprechend vor.

Dieser Vorschlag ist interessant und stellt eine solide Diskussionsgrundlage dar. Leider wird er aber in vielen Medien (Spiegel Online, Berliner Zeitung oder Süddeutsche etc.) so interpretiert, dass der Arztbesuch gänzlich entfallen kann. Münden diese auch von Berufsverbänden der Physiotherapeuten propagierten Forderungen in ein Gesetz, können Physiotherapeuten bei Schmerzen an Knochen, Gelenken und Muskeln zukünftig selbst diagnostizieren und therapieren.

Als Hauptargument der Befürworter müssen dabei immer eine Entlastung möglicher Versorgungsengpässe und zahlreiche Einsparmodelle herhalten. Nicht erwähnt (oder gar unterschlagen) werden in dieser Argumentation die Möglichkeiten und Gefahren von Fehlbehandlungen. So sind beispielsweise schwere Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, wie ein Bruch an der Wirbelsäule oder eine Entzündung der Bandscheibe, nicht immer offensichtlich. Dazu kommen zahlreiche, ebenfalls mitunter schwerwiegende Erkrankungen anderer Organsysteme, die sich ebenfalls hinter dem Symptom “Rückenschmerzen” verbergen können (z. B. das Pankreaskarzinom).

Aus diesem Grund hat sich die jahrelang geübte Praxis, physiotherapeutische Maßnahmen erst nach dem Ausschluss schwerer Systemerkrankungen zu beginnen, sicher bewährt, und bleibt weiterhin sinnvoll.

Die rechtzeitige Diagnostik solcher Erkrankungen muss leitliniengerecht erfolgen und dabei alle denkbaren medizinischen Diagnosen und die Kombination unterschiedlicher Symptome in Betracht ziehen. Erforderliche diagnostische Mittel wie Analyse von Blutwerten, Röntgen, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) müssen dazu gezielt angeordnet werden. In den Lehr- und Prüfungselementen in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten sind solche differentialdiagnostischen Überlegungen nicht vorgesehen. Das ist die Kernkompetenz des Arztes!

Fazit

Das Ziel einer Reform des Gesundheitswesens mit einer sicherlich gebotenen Aufwertung der therapeutischen Gesundheitsfachberufe kann weder in einer Manifestierung hierarchischer Strukturen noch in der Schaffung zweier parallel agierender Systeme gesehen werden.

Notwendig ist vielmehr eine engere nach pragmatischen Gesichtspunkten organisierte Verzahnung der jeweiligen Kompetenzen und Möglichkeiten und die auf Anerkennung basierende Zusammenarbeit. Alleine das ist zum Wohle des Patienten.



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