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Corona trifft auf Arbeitsrecht

Arbeitsrechtliche Fragen und deren Beantwortung in Zeiten des Corona-Virus.

Treffen mich als Arbeitgeber besondere Pflichten meinen Mitarbeitern gegenüber?

Grundsätzlich trifft Sie als Arbeitgeber – unabhängig von der vorliegenden Pandemie – eine Fürsorgepflicht Ihren Mitarbeitern gegenüber. Hierzu gehört es u.a. auch, die Ansteckungsmöglichkeiten zum Schutze Ihrer Mitarbeiter zu begrenzen, Ihre Mitarbeiter entsprechend zu informieren und anzuhalten, die notwendigen Hygieneanweisungen zu befolgen und deren Einhaltung zu bewachen.

Dazu gehört es u.a. auch, den Mitarbeitern ausreichend Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Eine Gefährdung der Gesundheit der eigenen Mitarbeiter ist zwingend zu vermeiden! Sofern Desinfektionsmittel und Mundschutz nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen sollten, können Sie als Arbeitgeber auch gehalten sein, den Praxisbetrieb in Abstimmung mit der zuständigen KZV zu reduzieren oder aber die Praxis zu schließen. Es empfiehlt sich grundsätzlich, vorausschauend ein Notfallkonzept zu erarbeiten, auf welches Sie sodann zurückgreifen können.

Kann ich von meinen Mitarbeitern verlangen, ohne Mundschutz und/oder ohne Handschuhe zu arbeiten?

Grundsätzlich nein; dies dürfte weder Ihren Mitarbeitern noch Ihren Patienten gegenüber zumutbar sein. Wie vorstehend ausgeführt trifft Sie als Arbeitgeber die Verpflichtung, Ihre Mitarbeiter vor Ansteckung zu schützen und ihnen hinreichend Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Insofern trifft Sie als Arbeitgeber grundsätzlich das sog. betriebliche Risiko; sofern Sie den Schutz Ihrer Mitarbeiter und/oder Ihrer Patienten nicht mehr sicherstellen können, wäre über die Ergreifung weitergehender Maßnahmen nach vorheriger Abstimmung mit der zuständigen KZV nachzudenken.

Sofern Sie als Arbeitgeber gegen die Ihnen obliegenden Pflichten zum Schutz der Gesundheit Ihrer Arbeitnehmer verstoßen, kann daraus ein Recht des Arbeitnehmers erwachsen, der Arbeit fern zu bleiben. Dennoch blieben Sie in der Regel weiterhin zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Das RKI hat mögliche Maßnahmen zum ressourcenschonenden Einsatz für Einrichtungen des Gesundheitswesens bei Lieferengpässen zusammengestellt, die abgerufen werden können unter Ressourcenschonender Einsatz von Mund-Nasen-Schutz (MNS) und FFP-Masken (13.3.2020).

Meine Arbeitnehmer möchten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus zu Hause bleiben. Dürfen sie das?

Grundsätzlich nein. Die Angst eines Arbeitnehmers vor Ansteckung gibt ihm grundsätzlich kein Recht, der Arbeit eigenmächtig fern zu bleiben. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine Ansteckung am Arbeitsplatz mehr als wahrscheinlich machen, oder aber die zuständige Gesundheitsbehörde ordnet in dem konkreten Einzelfall etwas Gegenteiliges an. Sollten gegenüber Ihnen als Praxisinhaber und Arbeitgeber konkrete behördliche Maßnahmen ergehen und lassen Sie diese unberücksichtigt oder kommen Sie Ihren Fürsorgeverpflichtungen nicht nach (vgl. Ziff. 2), kann sich daraus hingegen ein Recht des Arbeitnehmers ergeben, der Arbeit fernzubleiben.

Wir empfehlen insofern grundsätzlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Dialog treten und in dieser besonderen Situation eine Lösung finden.

Darf ich meine Mitarbeiter auch ggf. gegen ihren Willen nach Hause schicken, Urlaub und/oder Überstundenausgleich anordnen?

Grundsätzlich nein; Sie als Arbeitgeber trifft grundsätzlich eine sog. Beschäftigungspflicht. Schicken Sie Arbeitnehmer unbegründet nach Hause, bleiben Sie dennoch zur Entgeltzahlung verpflichtet; es ist grundsätzlich unzulässig, Zwangsurlaub zu verhängen. Dies gilt auch für das zwangsweise Abfeiern von Überstunden.

Auch hier raten wir, sich in den Dialog mit Ihren Mitarbeitern zu setzen. Es ist jederzeit möglich, dass Sie sich mit Ihren Mitarbeitern über Urlaub und Überstundenabbau verständigen.

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass das Urlaubsthema im Hinblick auf etwaiges KuG (Kurzarbeitergeld) relevant werden kann; so wird derzeit diskutiert, inwiefern Arbeitnehmer im Hinblick auf das KuG rechtlich verpflichtet sind, eventuelle Resturlaubsansprüche aus 2019 vor dem Bezug von KuG zu nehmen. Im Ergebnis wäre dies dann als eine Form des Zwangsurlaubs zu werten.

Ist unbezahlter Urlaub bzw. unbezahlte Freistellung die Lösung?

Unbezahlter Urlaub bzw. unbezahlte Freistellung ist grundsätzlich ein Mittel, dem Virus arbeitsrechtlich zu begegnen. Allerdings setzt dies eine entsprechende Vereinbarung zwischen Ihnen als Arbeitgeber und Ihrem Mitarbeiter voraus. Eine einseitige Anordnung des Arbeitgebers ist nicht zulässig.

Leider ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, wie lange wir möglichen virusbedingten Einschränkungen arbeitsrechtlich begegnen müssen. Zwingend ist hierbei der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer in den Blick zu nehmen. Bis zu einem Monat Unterbrechung ergeben sich keine versicherungsrechtlichen Besonderheiten. Dauert die Unterbrechung allerdings länger als einen Monat, endet die Versicherungspflicht in den Versicherungszweigen und Sie als Arbeitgeber müssen den Arbeitnehmer abmelden. Insofern sollten Sie die Vereinbarung der unbezahlten Freistellung bzw. des unbezahlten Urlaubs an Ihr Steuerbüro weiterleiten. 

Mein Arbeitnehmer ist nicht selbst erkrankt, muss allerdings aufgrund behördlicher Anweisung zu Hause bleiben (Quarantäne). Bin ich zur Entgeltfortzahlung verpflichtet?

Grundsätzlich bleiben Sie als Arbeitgeber vorleistungspflichtig. Da der Arbeitnehmer nicht selbst erkrankt ist, dürfte das Entgeltfortzahlungsgesetz nicht einschlägig sein. Allerdings haben Sie als Arbeitgeber die Möglichkeit, einen Erstattungsanspruch gegenüber der öffentlichen Hand nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) geltend zu machen, sofern es sich um eine behördlich angeordnete Quarantäne handelt. 

Wie ist der Fall zu bewerten, dass mein Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen kann, weil sein Kind erkrankt ist?

 Grundsätzlich haben gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf Kinderkrankengeld, sobald sie sich um ihr Kind kümmern. Welchen Betrag die Krankenkasse pro Arbeitstag zahlt, richtet sich nach dem Einkommen und ist im Ergebnis beschränkt auf 10 Arbeitstage, wobei eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorausgesetzt ist. 

Ist der Fall anders zu bewerten im Falle der Schul- oder Kitaschließung?

 Schul- und Kita-Schließungen wurden zwischenzeitlich als antiepidemische Maßnahme angeordnet. In diesem Fall ist es grundsätzlich das Risiko des Arbeitnehmers, für die Betreuung des Kindes zu sorgen. Dem Arbeitnehmer steht kein Anspruch auf Zahlung des Entgelts zu.

Oftmals wenden sich Arbeitnehmer an ihre Arbeitgeber und weisen darauf hin, dass es sich hier doch um einen Fall nach § 616 BGB handelt und der Arbeitgeber zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet sei.

§ 616 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit aus einem Grund, der nicht in der Person des Arbeitnehmers liegt und den der Arbeitnehmer nicht zu verschulden hat, an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist. Dabei wird oftmals übersehen, dass eine nicht erhebliche Zeit angenommen wird bei einer Abwesenheit von 5 Tagen, nicht aber bei Abwesenheiten, die länger als 1 Woche dauern. Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob im Falle behördlich angeordneter Schließungen von Kitas und Schulen von einer persönlichen Verhinderung ausgegangen werden kann; das Ergebnis dürfte unserer Auffassung nach "nein" lauten.

Zudem sind immer im Einzelfall die arbeitsvertraglichen Regelungen in den Blick zu nehmen; denn § 616 BGB ist abdingbar. Sollte § 616 BGB insbesondere durch den Arbeitsvertrag - wirksam ausgeschlossen worden sein, entfällt die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung in jedem Falle. Es empfiehlt sich also ein Blick in den Arbeitsvertrag.

Unklar ist derzeit auch noch das Verhältnis zwischen dem Infektionsschutzgesetz und § 616 BGB. Die aktuellen Erfahrungen zeigen, dass die Behörden zumindest in Fällen der Quarantäne, die unter das Infektionsschutzgesetz fallen, die Verantwortlichkeit weiterhin beim Arbeitgeber verortet wissen wollen. Dies zumindest dann, wenn der Arbeitgeber von der Möglichkeit, § 616 BGB im Arbeitsvertrag auszuschließen, keinen Gebrauch gemacht hat.

Kann ich für meine Praxismitarbeiter selbst eine Kinderbetreuung anbieten?

Uns erreichen Anfragen, ob es möglich ist, selbst dauerhaft eine Kinderbetreuung anzubieten für die Kinder der Mitarbeiter. Dieser Fall ist zunächst grundsätzlich zu unterscheiden von den Fällen, in denen es Arbeitgeber im Einzelfall gestatten, dass Mitarbeiter ihr Kind mit zur Arbeit bringen, weil bspw. An einem einzelnen Tag die Betreuung nicht gesichert ist. In diesem Fall verbleibt das Haftungsrisiko grundsätzlich bei dem Mitarbeiter.

Sofern der Arbeitgeber aber plant, selbst dauerhaft eine Kinderbetreuung zu implementieren, so muss dies grundsätzlich zum einen durch qualifiziertes Personal erfolgen und ist erlaubnispflichtig, vgl. § 43 SGB VIII. Inwiefern die aktuelle Krisensituation zu Lockerungen dieser Voraussetzungen führen wird, ist derzeit nicht absehbar und sollte im Einzelfall mit den zuständigen Behörden (Jugendamt) geklärt werden.

Unabhängig von der Frage der Erforderlichkeit der behördlichen Erlaubnis und der Frage, ob die Intention hinter der behördlichen Schließung der Einrichtungen als antiepidemische Maßnahme nicht im Ergebnis konterkariert wird, sollte zwingend auch die haftungsrechtliche Seite in den Blick genommen werden. Insofern bedarf es der Klärung u.a. mit Ihrer betrieblichen Haftpflichtversicherung, ob die mit einer Übernahme der Kinderbetreuung verbundenen Risiken abgedeckt sind.

Bleibe ich zur Zahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet, wenn die Behörden eine Betriebsschließung anordnen?

Nach derzeitiger Auffassung bleibt der Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung weiterhin verpflichtet. Denn eine solche behördliche Maßnahme stellt einen Fall des sog. Betriebsrisikos dar.

Wie verhält es sich, wenn mein Mitarbeiter die Praxis nicht mehr erreichen kann?

Sofern der Mitarbeiter aufgrund von allgemeinen Maßnahmen die Praxis als seinen (unbelasteten) Arbeitsplatz bspw. nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, so gilt grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer das sog. Wegerisiko trägt. Es fällt grundsätzlich in den Risikobereich eines jeden Mitarbeiters, seinen Arbeitsplatz zu erreichen, um dort die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Sofern der Mitarbeiter nicht zur Arbeit erscheint, besteht auch kein Recht auf Fortzahlung der Vergütung. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, unabhängig von der vorliegenden Krise.

Abzuwarten bleibt, ob weitere Ausgangssperren angeordnet werden, bei denen dem Mitarbeiter eine Bescheinigung des Arbeitgebers zu überlassen ist, um zu bestätigen, dass der Mitarbeiter zwischen Praxis als Arbeitsplatz und Wohnadresse pendelt.

Sollten Sie als Arbeitgeber Ihren Mitarbeitern eine dementsprechende Bescheinigung nicht übergeben und der Mitarbeiter im Falle von Kontrollen daher gehindert werden, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, so dürfte der vorstehende Grundsatz anders zu bewerten sein und der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers fortbestehen.

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