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Bisphosponat oder Parathormonfragment?

Welches Präparat ist die erste Wahl in der Prävention?

Der osteoanabole Wirkstoff Teriparatid soll laut einer kontrollierten zweijährigen Studie Frauen mit schwerer Osteoporose und osteoporotischen Frakturen in der Anamnese besser vor weiteren Frakturen schützen als das antiresorptive Bisphosphonat Risedronat. Die Bedeutung dieser Studienergebnisse wird - vor allem im Hinblick auf weitere angekündigte Substanzen - kontrovers diskutiert.

Studiendesign

Die Doppelblind-Studie zu dem Parathormonfragment ist im "Lancet" erschienen. Finanziert wurde sie vom Unternehmen Lilly, das nach Angaben der Autoren das Studien-Design entworfen und die Daten ausgewertet hat. Zudem habe es eine Rolle beim Schreiben der Publikation gespielt. Alle Autoren hätten zugestimmt, die Arbeit zur Publikation einzureichen, erklären Erstautor Dr. David L. Kendler (Universität von British Columbia) und seine Mitautoren, darunter auch Wissenschaftler des Unternehmens Lilly. 

Je 680 Patientinnen im Durchschnittsalter von rund 72 Jahren erhielten entweder einmal täglich das Parathormonfragment Teriparatid (20 μg) plus wöchentlich ein Placebo (oral) oder einmal pro Woche 35 mg Risedronat (oral) plus tägliche Placebo-Injektionen. Primäre Endpunkte waren radiologisch nachweisbare neue vertebrale Frakturen. Sekundäre Endpunkte waren außer radiologisch zunehmenden Wirbelkörperfrakturen (WKF) klinische Frakturen, definiert als Kombination von nicht-vertebralen plus symptomatischen vertebralen Frakturen sowie nicht-vertebrale Knochenbrüche. Messungen der Knochendichte wurden nicht vorgenommen!

Studienergebnisse

Die Rate neuer WKF (primärer Endpunkt) betrug nach 24 Monaten in der Teriparatid-Gruppe 5,4 Prozent, in der Risedronat-Gruppe 12,0 Prozent. Auch bei sekundären Endpunkten schnitt Teriparatid besser ab. So betrug die Rate klinischer Frakturen bei den Frauen mit dem Bisphosphonat 9,8 Prozent, in der Teriparatid-Gruppe lediglich 4,8 Prozent. Bei den nicht vertebralen Frakturen betrug der Unterschied 2,1 Prozentpunkte (4,0 versus 6,1 Prozent). Schwerwiegende substanzbezogene Nebenwirkungen traten in der Teriparatid-Gruppe mit 12,8 Prozent häufiger als in der Bisphosphonatz-Gruppe (9,7 Prozent) auf. Bei 22 Frauen verliefen die Komplikationen tödlich (15 Fälle in der Teriparatid- und 7 Fälle in der Risedronat-Gruppe).

Interpretation der Studienergebnisse

Die Studie sei zwar relativ klein, liefere aber doch einen direkten Beleg dafür, dass eine osteoanabole Substanz im Verlauf von zwei Jahren nicht allein die Rate neuer WKF besser als ein Bisphosphonat reduzieren könne, sondern auch die Rate klinischer Frakturen, schreibt Professor Serge Livio Ferrari von der Universität Genf in einem begleitenden Kommentar

Die Studie, so Ferrari weiter, sei allerdings zu klein, um einen signifikanten Vorteil von Teriparatid bei den nicht-vertebralen Frakturen, insbesondere den Hüftfrakturen, belegen zu können. Sie lege jedoch nahe, dass Patientinnen mit hohem Frakturrisiko, vor allem Frauen mit einer osteoporotischen Fraktur in der nahen Vorgeschichte, primär den osteoanabolen Wirkstoff und nicht das Bisphosphonat erhalten sollten.

ACTIVExtend und Alternativen

Inzwischen liegen auch Zweijahres-Ergebnisse Abaloparatide Comparator Trial In Vertebral Endpoints in erweiterter Form vor (ACTIVExtend) . Denach bleibt der Frakturschutz nach dem Wechsel auf eine Konsolidierungstherapie mit Alendronat (70 mg wöchentlich) erhalten.

Allerdings gab es auch Kritik an der Extensionsstudie. So habe es in der Extensionsphase nur wenige osteoporotische Frakturen gegeben, kommentiert Harry K. Genant, Emeritus der Universität von Kalifornien in San Francisco. Kritisiert wird außerdem, dass Frauen mit hohem Frakturrisiko der Placebo-Gruppe zugeordnet wurden.

Zu den osteoanabolen Wirkstoffen, die als vielversprechend gelten, zählen insbesondere Antikörper, die durch Blockierung von Sclerostin den Knochenaufbau fördern. Zu diesen osteoanabolen Antikörpern gehört beispielsweise Romosozumab. Hierzu liegen unter anderem die Zwei-Jahres-Ergebnisse der Phase-3-Studie FRAME mit Romosozumab und Denosumab vor. An der 2016 publizierten Studie nahmen knapp 7200 Frauen mit Osteoporose teil.

In den ersten 12 Monaten nahm in der mit Romosozumab therapierten Gruppe die vertebrale Knochendichte um 13,3 Prozentpunkte zu, in der Hüfte stieg der Wert um 6,9 und im Femurhals um knapp 6 Prozentpunkte. Im zweiten Jahr nahm die Knochendichte weiter zu. Infolgedessen profitierten Patienten auch beim Parameter Frakturen von dem neuen Biologikum. So wurde in der Romosozumab-Gruppe im ersten Jahr bei 0,5 Prozent der Frauen eine Wirbelfraktur diagnostiziert, in der Placebo-Gruppe hingegen bei 1,8 Prozent. Dies entspricht einer signifikanten relativen Risikoreduktion um 73 Prozent.

Ergebnisse einer weiteren Romosozumab-Studie bereiten hingegen Sorgen. Die Rede ist von der Phase-3-Studie ARCH mit fast 4.100 Teilnehmerinnen, die entweder Romosozumab (210 mg subkutan monatlich) oder Alendronat (70 mg oral wöchentlich) erhielten. Nach dieser 12-monatigen verblindeten Phase folgte eine 12-monatige offene Phase mit dem Bisphosphonat in beiden Studienarmen.

Hauptergebnis war eine nach 24 Monaten um 48 Prozent geringere Rate an vertebralen Frakturen in der Romosozumab-Alendronat-Gruppe im Vergleich zur Alendronat-Alendronat-Gruppe (6,2 versus 11,9 Prozent). Allerdings traten im ersten Jahr in der Romosozumab-Gruppe mehr kardiovaskuläre Ereignisse auf als in der Alendronat-Gruppe (2,5 versus 1,9 Prozent). In der noch laufenden Phase-3-Studie BRIDGE bei Männern wurden hingegen in der Romosozumab-Gruppe weniger kardiovaskuläre Todesfälle beobachtet als in der Placebo-Gruppe. Die Zukunft des Antikörpers ist daher noch relativ unklar, was unter anderen auch Professor Clifford Rosen (Boston) in einem begleitenden Kommentar betonte.

Zukunftsaussichten

Abaloparatid, ein osteoanaboles Parathormonanalog ist in den USA von der FDA im April 2017 mit dem Handelsnamen Tymlos™ für die postmenopausale Osteoporose lizensiert worden. Somit steht in den USA inzwischen eine Konkurrenz- und Nachfolgesubstanz für Teriparatid zur Verfügung, dessen Patentschutz 2019 ablaufen wird. Im selben Jahr sollen noch weitere Biosimilars zu dem Wirkstoff auf den Markt kommen.

In Deutschland bleiben Vorbehalte. Zwar wiesen in einem Beitrag der Deutschen medizinischen Wochenschrift  Professor Lorenz C. Hofbauer und Mitarbeiterinnen von der TU-Dresden bereits 2017 darauf hin, dass die Behandlung mit Abaloparatid der Therapie mit Teriparatid angesichts der Verhinderung von Frakturen und der Inzidenz der Hyperkalzämie überlegen scheint.

Ein Grund für die positive Einschätzung sind Ergebnisse einer 2016 publizierten Placebo kontrollierten Phase-3-Studie. An der internationalen Studie nahmen knapp 2500 durchschnittlich 69 Jahre alte Frauen teil, die eine verminderte Knochendichte und teilweise Frakturen in der Vorgeschichte hatten. 1901 Frauen beendeten die Studie.

In den Ergebnissen erhöhte der neue Wirkstoff die Knochendichte im Vergleich zu einem Placebo und senkte im Verlauf der 18-monatigen Therapie signifikant die Rate der Wirbelkörperfrakturen (primärer Endpunkt). Die Zahlen zum primären Endpunkt:

  • Placebo: 4,22 Prozent
  • Teriparatid: 0,84 Prozent
  • Abaloparatid: 0,58 Prozent.

Dennoch empfahl das CHMP 23. März 2018, das Beraterkomitee der EMA, das Präparat Abaloparatid nicht zuzulassen.

EMA: Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), gewährleistet die wissenschaftliche Evaluierung, Überwachung und Sicherheitsüberprüfung von Human- und Tierarzneimitteln in der EU.
CHMP: der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) ist der Ausschuss der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), der für Humanarzneimittel zuständig ist.


Das europäische Beratergremium (vorgesehener Handelsname in der EU: Eladynos) kritisierte zwei Zulassungsstudien, die nicht nach den Kriterien einer Good Clinical Practice (GCP) erfolgt waren. Vom Sicherheitsstandpunkt aus wurden die beobachteten Herzprobleme bemängelt: Unter Albanoparatid erhöhte sich die Herzfrequenz und es kam zu Palpitationen.

Auf mehreren endokrinologischen Tagungen und Kongressen in Deutschland wurde allerdings Abaloparatid von den Referenten als eine positive Neuerung präsentiert. Man wird sehen, ob die EMA der Empfehlung seines Beraterkomitees folgen wird (zitat:
Dies habe ich von Prof. Schatz, Vorstand der DGE /Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie)

Quellen und Zitate: 

  • Neue osteoporotische Frakturen
    Bisphosponat oder Parathormonfragment erste Wahl für Prävention?
    www.aend.de
  • Prevention of fractures in patients with osteoporosis
    S. Ferrari
    Volume 391, No. 10117, p184–186, 20 January 201
    The Lancet
  • Neue osteoanabole Therapien zur Behandlung der Osteoporose
    Elena Tsourdi, Franziska Lademann, Lorenz C. Hofbauer
    Dtsch med Wochenschr 2017; 142(07): 475-478
    DOI: 10.1055/s-0042-122721
    Thieme Connect
  • Abaloparatide Comparator Trial In Vertebral Endpoints (ACTIVE) confirms that abaloparatide is a valuable addition to the armamentarium against osteoporosis
    Reginster JY Al, Daghri NM, Bruyere O.
    PMID: 29048260 DOI: 10.1080/14656566.2017.1395021
    www.ncbi.nlm.nih.gov
  • Eighteen Months of Treatment With Subcutaneous Abaloparatide Followed by 6 Months of Treatment With Alendronate in Postmenopausal Women With Osteoporosis
    Results of the ACTIVExtend Trial
    www.mayoclinicproceedings.org


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