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Gewährleistung des Facharztstandards

Auf Wunsch einiger Mitglieder des DOV veröffentlichen wir einen aktuellen Artikel aus dem Rheinischen Ärzteblatt zur Gewährleistung des Facharztstandards auch bei (noch) nicht vorhandener Facharztanerkennung. Ärzte sind verpflichtet, nach dem anerkannten und gesicherten Standard der medizinischen Wissenschaft zu behandeln und die jeweilige Behandlung so vorzunehmen wie ein sorgfältig arbeitender Facharzt. Das gilt auch bei (noch) nicht vorhandener Facharztanerkennung.

Jeder Arzt schuldet dem Patienten eine Behandlung, die dem Standard eines sorgfältig arbeitenden Facharztes in der Situation des behandelnden Arztes entsprechen muss. Einen Behandlungs- oder Heilerfolg schuldet der Arzt dagegen nicht. Ein Behandlungsmisserfolg begründet deshalb auch noch keinen Behandlungsfehler. Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten nach dem anerkannten und gesicherten Standard der medizinischen Wissenschaft zu behandeln. Verstößt er gegen die Regeln und Standards der ärztlichen Wissenschaft, liegt ein Behandlungsfehler vor. Die Einhaltung des Behandlungsstandards und mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen festgestellt. Dem Sachverständigen kommt damit eine erhebliche Bedeutung zu.

Objektiver Maßstab
Es gilt ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab: Die erforderliche Sorgfalt ist die des besonnenen und gewissenhaften Arztes des jeweiligen Fachgebiets. Auf individuelle Besonderheiten des Arztes oder die Situation, in der er sich zum Zeitpunkt der Behandlung befunden hat, kommt es nicht an. Mangelnde Ausbildung und Erfahrung, personelle oder instrumentelle Schwierigkeiten vor Ort entlasten den Arzt oder das Krankenhaus grundsätzlich nicht. Der Arzt haftet somit zivilrechtlich auch für ein aus seiner Lage subjektiv entschuldbares, dem objektiven medizinischen Standard aber nicht entsprechendes Verhalten.

Übernahmeverschulden
Begibt sich der Arzt mit der Behandlung auf ein anderes Fachgebiet, muss er dessen Standard garantieren, sonst trifft ihn ein so genanntes Übernahmeverschulden. Auch der in Weiterbildung befindliche Arzt muss den Standard eines sorgfältig arbeitenden Facharztes gewährleisten. Genügen die Kenntnisse oder Fertigkeiten des behandelnden Arztes nicht dem Facharztstandard auf diesem Gebiet, so hat er einen entsprechenden Facharzt hinzuzuziehen oder den Patienten zu einem Facharzt zu überweisen. Ein Behandlungsfehler liegt immer vor, wenn der Arzt vor der Behandlung nicht erkannt hat, dass diese die Grenzen seines Fachgebietes, seiner persönlichen Fähigkeiten oder der ihm zur Verfügung stehenden apparativen Ausstattung überschreitet.

Sachverständigengutachten
Im Streitfall sind die Gerichte gehalten, die Einhaltung des Facharztstandards mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen festzustellen. Das Gericht darf das Vorliegen eines medizinischen Sorgfaltspflichtverstoßes nicht allein aufgrund eigener Kenntnis feststellen. Den Sachverständigen hat das Gericht aus dem Fachgebiet des beklagten Arztes auszuwählen. Der Sachverständige hat dabei auch die Frage zu beantworten, ob ein Gutachter aus einem anderen Fachgebiet hinzugezogen werden muss.

Maßgebender Zeitpunkt
Der ärztliche Sorgfaltsmaßstab beurteilt sich nach dem Erkenntnisstand der Medizin zum Zeitpunkt der Behandlung. Ein Behandlungsfehler kann dem Arzt nur vorgeworfen werden, wenn er das versäumt hat, was nach dem Stand der Medizin im Zeitpunkt der Behandlung geboten war. Der Arzt hat sich durch die Lektüre von Fachzeitschriften zumindest in seinem Fachgebiet auf dem Laufenden zu halten. Die Anwendung neuer Behandlungsmethoden wird ist erst erforderlich, wenn die neue Methode risikoärmer und für den Patienten weniger belas tend ist oder bessere Heilungschancen verspricht. Die neue Behandlungsmethode muss zudem im Wesentlichen unumstritten sein und deshalb von einem sorgfältigen Arzt verantwortet werden können.

Leitlinien und Richtlinien
Leitlinien können den aktuellen medizinischen Standard abbilden. Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von Handlungs- und Entscheidungskorridoren, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Das Abweichen von einer Leitlinie ist nicht gleichbedeutend mit einer Pflichtverletzung. Leitlinien oder Empfehlungen können sich jedoch zum medizinischen Standard eines jeweiligen Fachgebietes entwickeln. Entsprechendes gilt für Richtlinien: Auch hier indiziert die Nichteinhaltung nicht per se das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, bedarf aber einer besonderen medizinischen Rechtfertigung. Insgesamt erhalten Leitlinien und Richtlinien eine immer größere Bedeutung für das ärztliche Haftungsrecht. Abschließend ist ihre rechtliche Wirkung aber noch nicht geklärt.

Quelle: Rheinische Ärzteblatt, Dr. iur. Dirk Schulenburg (Justitiar der Ärztekammer Nordrhein)

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